Problemfans bringen Polizei an Grenzen
Fußball Allein im Land waren in der laufenden Saison bereits 9721 Polizisten für 68 000 Stunden rund um Stadien im Einsatz
Von unserer Chefreporterin Ursula Samary
Rheinland-Pfalz. Auf der Zielgeraden der Fußball-Ligen werden die Vereine nervös – und die Problemfans gewalttätiger. Damit können der Polizei heiße Randale-Wochenenden bevorstehen. Dies hat sich bereits zuletzt in Koblenz und Mainz mit ziemlicher Wucht angedeutet: Fast 300 mit der Bahn reisende Frankfurter Problemfans – nach Zwischenfällen in Eltville von Bundespolizisten begleitet – lösten in Koblenz einen Großeinsatz aus, als Unbekannte bei der Vorbeifahrt des Schalker Fanzugs die Notbremse zogen.
Mehr als 100 Bundespolizisten aus Köln, Duderstadt, Koblenz, Trier und Frankfurt sowie mehr als 50 Kräfte des Polizeipräsidiums Koblenz mussten einschreiten. In Mainz lieferten sich Fans von Mainz und Köln Schlägereien, bei denen sie mit Latten und Schlagwerkzeugen aufeinander losgingen.
Um Hooligans in Schach zu halten, müssen immer mehr Beamte der Landespolizei ausrücken, die ohnehin schon überlastet ist: In der noch bis Mai laufenden Saison waren allein in Rheinland-Pfalz bereits 9721 Polizisten in der Bundesliga, der Zweiten und Dritten Liga, der Regionalliga und der Oberliga eingesetzt – für immerhin bereits 68 000 Stunden. In der Oberliga mussten bisher allein 461 Beamte die Szene rund um Spiele der TuS Koblenz beobachten und sichern, wie im Mainzer Innenministerium Sprecher Marco Pecht feststellt. In der laufenden Saison wurden im Land bisher 242 Strafanzeigen gestellt und 28 Personen verletzt, darunter drei Polizisten. In der Saison 2014/15 besuchten 1,17 Millionen Zuschauer die Spiele – darunter 1,3 Prozent, die mit steigender Tendenz „als gewaltbereit oder zur Gewalt entschlossen“ gelten.
Deshalb stößt nicht nur die Landespolizei, die 1,7 Millionen Überstunden vor sich herschiebt, an ihre Grenzen, sondern auch die Bundespolizei, wie ihr GdP-Kreisgruppenvorsitzender Rhein-Mosel, Klaus Engel, unserer Zeitung sagt. Da eine Schicht der Bundespolizei in Koblenz mit dem Umsteigebahnhof, an dem ständig rivalisierende Fans getrennt werden müssen, nur mit fünf bis sieben Beamten besetzt sei, brauche sie regelmäßig die Hilfe der Landespolizei.
Wie dünn die Personaldecke bei der Bundespolizei ist, hat die Bundesregierung auf Anfrage der Grünen-Abgeordneten Irene Mihalic bestätigt – es gibt ebenso einen Berg von etwa 180 000 Überstunden allein bei der Bundespolizeidirektion Koblenz (etwa 2000 Mitarbeiter). Demnach sind die Reviere beispielsweise in Bad Kreuznach sowie auch in Prüm und damit im Grenzraum zu Belgien an der Hauptverbindungsstrecke (A 60) zwischen Amsterdam/Rotterdam und dem Rhein-Main-Gebiet zeitweise gar nicht mehr besetzt. Wie GdP-Mann Engel sagt, ist an manchen Tagen kein Streifenwagen mehr im Grenzraum unterwegs.
Mit dem Endspurt der Bundesliga dürfte die Zahl der Überstunden bei den Beamten im Land und Bund am Rande von Fußballspielen weiter anwachsen. In der Saison 2014/15 mussten 14 477 Polizisten im Land ausrücken, bisher bereits 9721. Trotzdem bringt Innenminister Roger Lewentz (SPD) derzeit seine Forderung nach einem Event-Euro, mit dem sich Großveranstalter an den Kosten für Polizeieinsätze beteiligen, nicht erneut ins Spiel. Er sieht ein zentrales Anliegen nach der von ihm ausgelösten Debatte über Gewalt rund um Fußballspiele und die deshalb notwendigen Polizeieinsätze erfüllt. Denn der Deutsche Fußballbund und die Deutsche Fußball Liga beteiligten sich seitdem mit 10 Millionen Euro an gemeinsam finanzierten sozialpädagogischen Fanprojekten, um die Gewalt einzudämmen. Dies ist aus Sicht von Lewentz vernünftig. Daher stelle sich die Frage nach einer Kostenbeteiligung an Polizeieinsätzen in den Stadien derzeit nicht.
Presseartikel aus der Rhein-Zeitung vom 19.04.2016